Kinderarmut – Wenn der Schulausflug zum Problem wird

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kaum zu glauben, aber es ist entsetzlich, dass wir als Menschen die in einer Solidargemeinschaft leben sollten, die Zukunft unserer Kinder von Politikern und Beamten regeln lassen müssen.
Politiker können wir wenigstens nicht mehr wählen (ach darum ist die Wahlbeteiligung so gering).
Beamte auf Lebenszeit sind da schon wesentlich schwerer zu entsorgen, diese werden ja nur "umgebettet".
Es ist an der Zeit nicht nur zu reformieren, sondern etwas vollständig neues auf den Weg zu bringen und zwar jetzt und nicht erst in Jahren.
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KLARTEXT vom 04.06.2008

Kinderarmut (C) rbb 2008









Gute Schulen nutzen heute alle Möglichkeiten, um den Bildungshorizont der Kinder zu erweitern. Ausflüge, Exkursionen, besondere Lernmittel. Für Familien, die auf Hartz-IV angewiesen sind, oft ein Problem, denn in den Regelsätzen sind derartige Ausgaben nicht vorgesehen.

In Berlin haben es Kinder von Hartz-IV-Empfängern nicht leicht. Immer noch können sich viele von ihnen keine warme Mahlzeit in der Ganztags-Schule leisten. Obwohl die Politiker seit Monaten versprechen, dass sie Millionen Euro dafür bereitgestellt hätten. Angekommen ist das Geld bislang nicht. Und es gibt noch mehr Dinge im Schulalltag, die Geld kosten. Geld, das in bedürftigen Familien nicht übrig ist. Das betrifft nicht nur Kinder in Berlin, sondern auch in Brandenburg. Iris Marx.

Lisa Marie ist ein fröhliches Mädchen. Sie geht mit ihren Schwestern auf die Martin Andersen Nexö Schule. Und: sie ist eine gute Schülerin. Eigentlich alles in Ordnung.

Lisa Maries lebt im Brandenburgischen Briesen Ihr Vater war früher selbständig. Er hatte eine Forschungs- und Entwicklungsfirma. Doch die wurde insolvent. Seitdem lebt Bernd Kniel von Hartz IV, zusammen mit seiner Lebensgefährtin, die ebenfalls arbeitslos ist. Über 500 Bewerbungen hat Bernd Kniel inzwischen abgesandt, doch ohne Erfolg. Unter seiner Arbeitslosigkeit sollen wenigstens die drei Kinder nicht leiden, meint er. Doch die neunjährige Lisa-Marie macht sich Sorgen:

KLARTEXT
„Machst Du Dir Sorgen?“
Lisa-Marie Kniel
„Manchmal schon. Wie wird es jetzt weitergehen? Kriegen sie jetzt ’ne Arbeit, oder nicht? ’Weiß man halt nie richtig."

Dass Lisa-Maries Vater arbeitslos ist, bekommen seine Töchter auch an ihrer Schule zu spüren. Denn viele Lehrmittel müssen von den Schülern selbst bezahlt werden. Dazu kommen Fahrtkosten für Ausflüge und Eintrittsgelder. Ein Problem nicht nur für die Familie Kniel, meint der Vater:

KLARTEXT
„Sind Sie die einzigen hier, denen es finanziell schlecht geht?“
Bernd Kniel
„Mit Sicherheit nicht. Es gibt wahrscheinlich Familien, denen es noch wesentlich schlechter geht, als uns.“
KLARTEXT
„Aber die sagen nichts?“
Bernd Kniel
„Die werden sich nicht trauen.“

Wir fragen bei der Schule nach, wie es um die Kinder steht. Hier wird uns gesagt, die finanzielle Situation der Familie wäre der Schule nicht bekannt.

Für Bedürftige Kinder von Arbeitslosen gibt es pro Kind unter 14 Jahre nach Hartz IV 208 Euro. Davon ist außer der Miete so gut wie alles zu zahlen, die Schulbildung gehört dazu.

Gesine Zastrow, Amt für Grundsicherung und Beschäftigung
„Von der Regelleistung umfasst sind Leistungen für Zeichenmaterial beispielsweise. Uns ist sehr bewusst, dass gerade für schulgeprägten Bedarf diese vom Regelsatz umfassten Leistungen oftmals nicht ausreichend sind.“


Die Kniels können sich die Kosten für den Schulalltag kaum leisten. Für jedes der drei Mädchen fallen im Monat zusätzliche Kosten von 25 Euro an. Viel Geld für die Familie.

Sich nicht alles in der Schule leisten zu können, trifft die Kinder offenbar auch im Umgang untereinander.

Lisa-Marie hörte schon oft, dass andere Kinder nicht mit ihr spielen dürfen:

KLARTEXT
„Ist das schon häufiger passiert?“
Lisa-Marie Kniel
„Ja. Denkt man halt immer nach, warum das sein könnte, aber man bekommt kein Ergebnis raus.“
KLARTEXT
„Hast du mal gefragt?“
Lisa-Marie Kniel
„Nee, ich hab’ zwar schon mal gefragt, aber da gibt es keine Antwort. Die Kinder wissen’s selber nicht.“
KLARTEXT
„Was sagen die denn da?“
Lisa-Marie Kniel
„Weiß ich nicht, warum ich nicht mit dir spielen darf.“

Grund aus der Sicht des Vaters – seine Geldnot:

Bernd Kniel
„Die Kinder haben relativ wenig Kontakt zu anderen Kindern.“
KLARTEXT
„Sie meinen, dass könnte daran liegen?“
Bernd Kniel
„Zum Beispiel.“
KLARTEXT
„Haben Sie denn schon mal was Konkretes gehört, dass der Umgang untersagt wurde?“
Bernd Kniel
„Ja, hab’ ich.“

Kürzlich standen wieder Schulkosten an, für einen Ausflug: 7,80 Euro pro Kind, bis zum 4.5 mitbringen stand es lapidar im Hausaufgabenheft. Eigentlich nicht viel Geld. Doch für den Vater brachte dieser Betrag das Fass zum Überlaufen:

Bernd Kniel
„Ich habe der Schule mitgeteilt, dass ich diese Kosten nicht mehr tragen kann. Weil laufend irgendwelche Ausflüge sind, wo jedes Mal acht Euro anfallen. Diese Kosten sind nicht mehr zu finanzieren."

An der Schule gab es dafür wenig Verständnis. In einem Brief an Klartext verweist sie auf Verwaltungsvorschriften. Danach nehmen die Kinder bei, Zitat:
„… Nichtteilnahme an der schulischen Veranstaltung dann am Unterricht in der Schule teil. Dies wurde durch die Schule organisiert."

Für die Kinder eine beschämende Situation, zuzugeben, dass sie sich den Ausflug nicht leisten können;

Lisa-Marie Kniel
„Weil gerad“ das Geld dafür nicht da ist."
KLARTEXT
„Hast du das Deiner Lehrerin gesagt?"
Lisa-Marie Kniel
„Ja."
KLARTEXT
„Und was hat die gesagt?"
Lisa-Marie Kniel
„Dann sind wir die einzigen drei, wo da bleiben in der Schule und betreut werden."
KLARTEXT
„Hat die das vor der ganzen Klasse gesagt?"
Lisa-Marie Kniel
„Hm.“
KLARTEXT
„Wie fandest du das?“
Lisa-Marie Kniel
„Irgendwie blöd, weil dann fühlt man sich auch so weggeschoben."
KLARTEXT
„Wie haben die anderen Kinder in der Klasse reagiert?"
Lisa-Marie Kniel
„Blöd angeschaut, haben halt auch blöd gefragt.“

Alles nicht wahr? Vor der Kamera wollte dazu niemand Stellung nehmen. Schriftlich bestreitet die Schule, dass die Lehrerin die finanzielle Situation der Kinder vor der gesamten Klasse offenbart habe.

Doch das Jugendministerium in Brandenburg hat das soziale Problem von bedürftigen Kindern aus Hartz IV Familien erkannt. Ab dem kommenden Schuljahr will es einen Schulförderfonds für solche Fälle einrichten. 60 Euro pro Kind soll es dann geben.

Holger Rupprecht, Landesminister für Bildung, Jugend und Sport
„Schulsozialfonds bedeutet, dass eine Schule über den Schulträger eine bestimmte Summe Geld zugewiesen bekommt, festgemacht an einer Zielgruppe. Die Schule kann hierüber relativ flexibel und frei verfügen kann, um beispielsweise Leistungen für eintätige Exkursionen, Eintritte in Museen oder auch die Fahrten zu solchen externen Unterrichtsorten zu bezahlen.“

Doch nicht nur der Staat lässt sich inzwischen in die Verantwortung nehmen. Viele Schule haben von sich aus nach Lösungen gesucht und eigene Modelle zur finanziellen Unterstützung entwickelt. Beispiel: Die Karl Hagemeister Schule in Werder:

Mechthild Köhler, Vorsitzende des Schulfördervereins
„Bei uns läuft das über den Klassenlehrer, damit auch die Anonymität gewahrt bleibt.“
Erika Wegener, Direktorin Karl Hagemeister Schule
„Uns ist es ganz, ganz wichtig, dass die Kinder unter den sozialen Umständen Zuhause nicht zu leiden haben."

Doch am Ende klappt es manchmal trotz widriger Bedingungen – auch in Briesen.

KLARTEXT
„Was hast du denn in Mathe?"
Lisa-Marie Kniel
„Eine Eins."
KLARTEXT
„Und in Deutsch?"
Lisa-Marie Kniel
„Auch.“
KLARTEXT
„In Kunst?“
Lisa-Marie Kniel
„Eins.“
KLARTEXT
„Musik?“
Lisa-Marie Kniel
„Zwei.“
KLARTEXT
„Sport?“
Lisa-Marie Kniel
„Zwei.“
KLARTEXT
„Englisch?“
Lisa-Marie Kniel
„Eins.“
KLARTEXT
„Toll!“
Lisa-Marie Kniel
„Insgesamt sind’s zwölf Einsen und fünf Zweien.“

Beitrag von Iris Marx


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